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Dresden

Dresdner Café: Ehemalige Mitarbeiter enthüllen Mobbing und Machtmissbrauch


Ex-Angestellte packen über Café-Besitzer aus
"Die Wunden, die uns zugefügt wurden, kann keiner sehen"


Aktualisiert am 10.09.2025Lesedauer: 3 Min.
Verzweifeltes Gesicht auf Kaffeeschaum (Symbolbild).Vergrößern des Bildes
Verzweifeltes Gesicht auf Kaffeeschaum (Symbolbild): Eine Mitarbeiterin erzählt, von ihrem Chef mit Schweigen gestraft worden zu sein – über Wochen hinweg. (Quelle: IMAGO/Zoonar.com/Oksana Bratanova)
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Sechs ehemalige Beschäftigte eines beliebten Dresdner Cafés berichten von gezielter Einschüchterung und systematischem Machtmissbrauch durch den Chef. Der äußert sich nicht – zum wiederholten Mal.

Es ist fast ein Jahr her, dass sie gekündigt hat – und noch immer läuft sie lieber Umwege. "Ich habe von fast allen, die dort gearbeitet haben, gehört, dass sie sich nicht mehr trauen, auf der Straßenseite des Cafés vorbeizulaufen", berichtet die ehemalige Mitarbeiterin eines beliebten Lokals in Dresden.

Über Jahre hinweg soll es hier zu systematischem Mobbing und ungewollten körperlichen Berührungen durch den Inhaber gekommen sein. t-online hat mit sechs ehemaligen Mitarbeitern gesprochen, fünf Frauen und ein Mann, die zwischen Anfang 2022 und Ende 2024 dort gearbeitet haben. Sie berichten von entwürdigenden Erfahrungen, Einschüchterungen und anhaltenden psychischen Belastungen. Der Inhaber selbst äußert sich nicht – zum wiederholten Mal.

"Es ist oft passiert, dass während der Arbeit kleine Berührungen stattgefunden haben", sagt eine der Frauen. Der Chef des Cafés habe sie im Vorbeigehen gestreichelt, sich dicht hinter sie gestellt oder sie an den Haaren gezogen. "Er hat ständig versucht, Körperkontakt herzustellen, wahrscheinlich um das möglichst beiläufig zu normalisieren." Es ging dabei nicht um zufällige Situationen in einem hektischen Arbeitsumfeld, sondern um gezielte Nähe.

Einige sprechen von einem System. Ihr damaliger Chef habe neue Mitarbeiter nach sexuellen Vorlieben gefragt. Nach früheren Beziehungen. Nach familiären Problemen. Es sei darum gegangen, gezielt Schwächen zu identifizieren, um Kontrolle auszuüben. Wer sich wehrte, sei abgewiegelt worden: "Du musst nicht immer alles so ernst nehmen", sei eine Reaktion gewesen. Oder es habe gar keine Antwort gegeben.

Später seien körperliche Annäherungen gefolgt. "Einmal wollte er mir kurz vor Feierabend die Schürze ausziehen. Er wollte, dass ich mich drehe, bis die Schürze aufgeht", berichtet eine andere ehemalige Mitarbeiterin.

Der Chef soll gezielt Situationen herbeigeführt haben, in denen seine Mitarbeiterinnen allein waren – etwa indem er sie zum Buffet oder in die enge Küche geschickt habe und ihnen gefolgt sei. In einem Fall habe er einer Kellnerin seine Hand an die Hüfte gelegt. "Das war geplant", ist sich eine der Betroffenen sicher.

Die falschen Versprechen

Alle sechs schildern, dass sie ihren Job mit ganz klaren Erwartungen begonnen hatten, vor allem mit dem Wunsch nach fairen Bedingungen. "Ich habe mich ganz bewusst im Café beworben", sagt eine junge Frau. Für die meisten war es nämlich nicht der erste Job in der Gastronomie: raue Umgangstöne, übergriffige Gäste, schlechte Bezahlung kannten sie bereits.

Im Bewerbungsgespräch habe der Chef sein Café als Gegenmodell präsentiert. "Ich habe mich tatsächlich das erste Mal im Leben aufs Arbeiten gefreut", erinnert sich eine Mitarbeiterin. Eine andere beschreibt die Anfangszeit als "total euphorisch" – die Einstellung sei unkompliziert gewesen, die Stimmung gut.

Nach mehreren Wochen sei die Atmosphäre gekippt.

"Mobbing ist mein Hobby"

Was folgte, beschreiben alle sechs ähnlich: öffentliche Bloßstellungen, Druck wegen kleinster Fehler. Einmal sei der Chef mit einer Stoppuhr neben einer Mitarbeiterin gestanden, um jeden ihrer Handgriffe zu kontrollieren.

"Mobbing ist mein Hobby", soll er gesagt haben, sagt ein ehemaliger Mitarbeiter. Beschäftigte habe er nachgeäfft, sich über verstorbene Angehörige lustig gemacht.

Eine Mitarbeiterin erzählt, sie sei über Wochen hinweg vom Inhaber mit Schweigen gestraft worden. Selbst auf Krankmeldungen oder Nachrichten zum Dienstplan habe er nicht mehr reagiert. "Irgendwann hat er mir nicht mal mehr 'Guten Morgen' gesagt."

Als sie das Gespräch suchte, habe der Chef den Spieß umgedreht. Ihre angeblich mangelhafte Arbeit sei schuld an seiner Behandlung. "Daraufhin hat er mich entlassen", sagt sie. Sie berichtet, die ständige Kritik während der Arbeit habe sie so sehr verunsichert, dass sie die Gastronomie ganz aufgegeben habe: "Ich habe danach nie wieder in der Gastro gearbeitet."

t-online hat dem Inhaber zweimal die Möglichkeit gegeben, sich zu den Vorwürfen zu äußern und seine Sicht darzulegen. Beide Fristen ließ er verstreichen. Auch frühere Anfragen zu ähnlichen Vorwürfen seien unbeantwortet geblieben. Das Antidiskriminierungsbüro Sachsen hat bereits mehrere Betroffene beraten und sich schriftlich an den Inhaber gewandt. Die Briefe liegen t-online vor. Darin ist er etwa aufgefordert worden, ein betriebsinternes Beschwerdeverfahren einzurichten. Die Betroffenen haben zudem ein absolutes Kontaktverbot sowie die Zahlung einer Entschädigung gefordert.

Die unsichtbaren Wunden

Was die sechs ehemaligen Angestellten übereinstimmend schildern, geht für sie weit über die üblichen Belastungen in der Gastronomie hinaus. "Dass eine Person so systematisch und persönlich gegen Mitarbeiterinnen vorgeht, das ist etwas anderes", sagt eine von ihnen.

Eine andere ehemalige Mitarbeiterin fasst es so zusammen: "Es wurde nie körperlich brutal, aber es ging auf eine ganz andere, psychische Ebene. Das finde ich genauso brutal. Mit dem Unterschied: Die Wunden, die uns zugefügt wurden, kann keiner sehen."

Verwendete Quellen
  • Persönliche Gespräche und Telefonate mit ehemaligen Mitarbeitern
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